Rosenkrieg in der Arduino-Familie

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Bis vor einigen Monaten schien die Welt noch in Ordnung: Das Arduino-Projekt um Massimo Banzi betreute die Software und pflegte die Community, die Hardware wurde beim Auftragsfertiger „Smart Projects S.R.L.“ in Italien hergestellt, der unter Gianluca Martino früh diese Aufgabe übernahm und seit Anbeginn das Arduino-Projekt begleitete. Der vergleichsweise hohe Preis der Boards – ein Uno kostet etwa 24 Euro, legale chinesische Klone, die einen brauchbaren USB-Seriell-Wandler verwenden, sind bereits für 5 Euro zu haben – diente als Rechtfertigung, mit dem Kauf der Boards die Entwicklung der Software und die Betreuung der Community quer zu subventionieren.

Erste offensichtliche Richtungsfragen gab es bei neuen, komplexeren Board-Designs: Ganz offensichtlich wurden Konflikte beim Arduino Yún, wo schnell die Frage nach den – nicht zu bekommenden – Schemadateien der Platine aufkamen und nach der Offenheit (im Sinne von Community-Beteiligung) der Entwicklung der verwendeten Linuxdistribution Linino. Das Arduino-Projekt und die dieses tragende AG nach Schweizer Recht „Arduino SA“ begannen bereits im April 2014, sich von Linino zu distanzieren und mit OpenWRT-Yún eine eigene, offener entwickelte Variante anzubieten.

Eng mit Linino verbandelt ist Doghunter, jenes Unternehmen, das den Arduino Yún entwickelt hat. Doghunters CEO Frederico Musto wechselte kürzlich an die Spitze des von „Smart Projects S.R.L.“ zu „Arduino S.R.L.“ umbenannten Unternehmens von Martino. Im Februar gaben Martino und Musto die Devise aus, dass Arduino als Hardwarehersteller mit Industriekooperationen wachsen müsse. Den Markt dafür gibt es und das Produktportfolio von Doghunter/Linino zeigt, dass Musto eine gute Nase für das „Internet der Dinge“ hat: Doghunters Platinen, die wie der Yún einen Microcontroller mit einem billigen Router-Chipsatz kombinieren, haben eine gewaltige Zukunft und können bei entsprechenden Stückzahlen bis hinab in den 20 Euro Bereich verkauft werden.

"Out of stock" - arduino.cc ordert derzeit wohl keine Platinen von "Arduino S.R.L." nach

„Out of stock“ – arduino.cc ordert derzeit wohl keine Platinen von „Arduino S.R.L.“ nach

Ein Alleingang der „Hardware-Sparte“ stieß die übrigen Gründungsmitglieder – allen voran Massimo Banzi, der nur noch repräsentative Aufgaben wahrnehmen sollte – jedoch gewaltig vor den Kopf: „Arduino SA“ hatte mit Bllligung der „Arduino LLC“ (GmbH nach US-Recht, Inhaber der Marke Arduino in den USA in einigen Klassen) bereits in 2013 begonnen, mit „Arduino at Heart“ Produkte, die kompatible Controller sowie den Arduino Bootloader verwenden, gegen Zahlung einer geringen Gebühr (maximal 5% des Großhandelspreises) mit dem Arduino-Logo zu versehen. Diese neue Form der Lizenzierung bedrohte letztlich das Geschäftsmodell von Musto und Martino, denn sie ermöglicht es beliebigen Hardwareherstellern, mit schnell auf den Markt gebrachten, pfiffigen Ideen einerseits mit dem Arduino-Logo werben zu können, andererseits zu zeigen, dass man die Community direkt finanziell unterstützt. Erweiterungen der Arduino-Familie sind damit nicht mehr von Kommitee-Entscheidungen abhängig und davon, wie schnell Martino technische Probleme mit Prototypen in den Griff bekommt. Die Kooperation mit Intel und TI bei Galileo und Tre zeigte auch, dass Arduino sich als Projekt stärker anderen Chipherstellern als Atmel öffnet. Das wichtigste Manifest dieser Öffnung ist die jüngst veröffentlichte Entwicklungsumgebung Arduino 1.6

Arduino 1.6 unterstützt erstmals andere Kerne als AVR, zunächst nur Atmels ARM basierte SAM0+ und SAM3. Doch durch die stärkere Modularisierung ist es jetzt ein leichtes, auch andere Architekturen wie Infineons XMC zu unterstützen. Zudem bietet 1.6 die Möglichkeit, die bisher separat gepflegte Version der Arduino-Software für Intels Galileo wieder zurückzuholen und als einfaches Plugin umzusetzen. Auch diese Entwicklung bedroht das Geschäftsmodell der „Arduino S.R.L“.

Wie weiter, Arduino?

Auf den ersten Blick mag es wie eine Patt-Situation aussehen: In der relevanten Nizza-Klasse 9 hält die „Arduino S.R.L“ die Marke „Arduino“ in Italien, „Arduino LLC“ hält sie in den USA. Schwierig bei markenrechtlichen Streitigkeiten ist, dass ein Recht an einer Marke nicht mit der Anmeldung beginnt, sondern de facto mit der Präsenz im Massenmarkt. Zu der Zeit, in der Arduino als Name für das Projekt einerseits und die Boards andererseits Bekanntheit erlangte, herrschte jedoch eitel Sonnenschein. Wer die Marke weiter benutzen darf, wird letztlich ein US amerikanisches Gericht entscheiden.

Meine Meinung!

Ich wünsche mir schon seit längerer Zeit eine Öffnung des Projektes: Die starke Abhängigkeit von Atmel kritisiere ich schon geraume Zeit, insbesondere in dieser Phase, in der Arduino Zero endlich den Sprung von 8 Bit auf 32 im Arduino-Massenmarkt bringen soll, aber Monat für Monat verschoben wird. Der Arduino Yún mit seinem Preis von 65 Euro ist für die verwendete Hardware eigentlich zu teuer, die fehlenden Board-Schemata und dadurch die fehlende Möglichkeit für dritte, die Platine weiterzudenken – das ist schade, denn das Konzept der Bridge-Bibliothek, die es erlaubt, Sensoren und Aktoren fürs IoT zu bauen, ist es wert, weitergedacht zu werden. Mein Gedanke: Einen Raspberry Pi (oder BPi R1) nehmen und die Yún-Funktionalität mit einem Shield/Hat nachrüsten, das einen 32u4 enthält. Die Erweiterungen in OpenWRT-Yún sollten sich mit vertretbarem Aufwand portieren lassen. Bei den restlichen Boards verwende ich Uno und Co. nur noch zum Prototyping, Micro, wenn eine USB-Tastatur emuliert werden soll und ansonsten nackte Atmega328, Wattuino oder chinesische Pro Mini Klone. Und ich hoffe, dass „Arduino at Heart“ es schafft, weitere interessante Derivate anzuregen.

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Einstiegsbild: Vier Rosen von 9EkieraM1 / Lizenz: Creative Commons CC-by-sa-3.0 de